[Presse]
Phosphorbomben im Trümmerhaufen
Neuer Verdacht bei der Ursachenforschung nach dem hohen Schadstoffgehalt im Flückigersee / 30 000 Euro für Bohrungen
Von unserem Mitarbeiter Lars Bargmann
"Bombige" Neuigkeiten vom Flückigersee: Hatten Umweltschutzamt, Gutachter und Bürgerforum Flückigersee für den schlechten Zustand des Sees bisher vor allem wasserlassende Badegäste und das Überfüttern der Seevögel verantwortlich gemacht, geraten jetzt plötzlich Bombentrümmer des Zweiten Weltkriegs in den Verdacht, für den hohen Phosphorgehalt (mit-)verantwortlich zu sein. Das Regierungspräsidium hat zugesagt, die bis zu 30 000 Euro teuren Bohrungen aus dem Altlastenfond des Landes zu übernehmen.
Am 27. November 1944 donnerten 14 000 Bomben auf die Stadt nieder, darunter Tausende von Brandbomben, die im Wesentlichen aus Phosphor bestehen, wie Gerd Ueberschaer in seiner gründlichen Monographie "Freiburg im Luftkrieg" berichtet. Knapp 255 Tonnen der kaum löschbaren Materie prasselten auf die Stadt. Ist es das Phosphor dieser Bomben, das den Flückigersee so sehr belastet? "Es hat uns sehr überrascht, dass jetzt ein völlig neues Thema als Einflussfaktor für den schlechten Zustand des Sees aufgetaucht ist", so Ralf Hufnagel vom Bürgerforum, das sich seit vier Jahren um den See kümmert. "Wir wussten, dass es im Westen der Stadt viele Kiesgruben gab, die einfach mit Müll oder Trümmern aufgefüllt wurden", erklärt Ralf Zähringer, der stellvertretende Leiter des Umweltschutzamts.
Was er nicht wusste: Der Flückigersee ist seit Beginn der Aushubarbeiten Anfang der 30er Jahre stark von Osten nach Westen gewandert. Dort, wo heute der Rosengarten und die Wohnhäuser am Schongauerweg stehen, war 1945 der ursprüngliche See, zwischen der Grenzstraße und dem heutigen Ostufer. In diesen alten Flückiger kippte die damals für die Aufräumarbeiten in der Stadt gegründete Arbeitsgemeinschaft aus mehreren Bauunternehmern Teile der Bombentrümmer, insgesamt, so schätzt Zähringer, eine Viertelmillion Kubikmeter. Hierhin führten seinerzeit Schienen, auf denen in Loren die Trümmer angekarrt wurden.
Seit Anfang vergangenen Jahres erarbeitet der Freiburger Gutachter Eberhard Hoehn ein Sanierungskonzept für den See. Anhand von Luftbildern, die die alte Lage des Sees zeigten, und anhand der Geschichte dieses alten Sees entstand der Verdacht, dass Bombenreste und Trümmer für den hohen Phosphatgehalt des Sess verantwortlich sein könnte.
"Der Verdacht ist durchaus plausibel", meint Ueberschaer. Am Grund des Flückiger (so hieß die Firma, die in den 30ern mit dem Kiesabbau begann) beträgt der Phosphat-Gehalt 0,303 Milligramm pro Liter. Der Grenzwert liegt bei 0,025 Milligramm. Das Umweltschutzamt wird jetzt drei Brunnen bohren lassen (etwa an der Grenze des alten und des neuen Sees) und das wegen der Fließrichtung von Ost nach West in den See eindringende Grundwasser analysieren. Wahrscheinlich wäscht dieses Wasser die Trümmer aus. Dass vom Untergrund auch eine Gefahr für die Bewohner der Häuser ausgeht, die auf dem Trümmerhaufen gebaut wurden, glaubt Zähringer nicht: "Die Baufirmen hatten das seinerzeit untersucht und keinen Handlungsbedarf gesehen. Über den Trümmern liegen vier Meter Deckschicht."
Die Kernfrage sei jetzt, ob und inwieweit das Grundwasser aus den Trümmern für die Qualität des Seewassers verantwortlich ist. Da das Umweltschutzamt derzeit ohnehin an der Silbergrube im Seehau nach Altlasten bohrt, muss das Bohrgerät die Stadt gar nicht wieder verlassen, was sich günstig auf die Kosten auswirkt. Zähringer rechnet mit rund 20 000 Euro. Bis Anfang kommenden Jahres sollen die Ergebnisse vorliegen. Diese muss Gutachter Hoehn in sein Sanierungskonzept einarbeiten.
Angenommen, die Kriegs-Altlasten sind der Hauptverursacher des hohen Phosphatgehalts: Noch ist völlig offen, wie dann ein Einfließen des verseuchten Wassers verhindert werden könnte. Denkbar sind zwar Spundwände, die das Grundwasser auf ein Tor zuleiten, in dem das Wasser gereinigt wird. Das ist aber sehr teuer. Bei der angespannten Haushaltslage womöglich zu teuer.
Link: Bohrungen zur Altlastenerkundung
aus der Badischen Zeitung vom 24. November 2003 (Homepage: www.badische-zeitung.de)
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